Eine Kolumne von VanSite Mitgründern Carolin König aus unserem Magazin „Start-up Campus OWL“.

Nach fünf Jahren in einer Firma für Kunststoffspritzguss und Werkzeugbau, beantragte Carolin König 2018 unbezahlten Urlaub, um in einem Bulli ein Jahr durch Neuseeland und Australien zu reisen. Eine Entscheidung, die ihr Leben nachhaltig beeinflusste, denn seitdem ist Caro leidenschaftliche Camperin. Als Sebastian Siegbert und Maximilian Buschmeyer ihr von der Idee, ein „Airbnb für Camper:innen“ aufzubauen, erzählten, war der Grundstein für das Start-up VanSite gelegt.

„Wir hatten alle denselben Wunsch: mitten in der Natur in Alleinlage zu stehen. Die Realität sieht jedoch oft anders aus, denn Freistehen ist in vielen Teilen Europas verboten, was ein langes Suchen nach überfüllten Campingplätzen nach sich zieht. Darin lag unser Ansporn, VanSite zu gründen, um unsere Traumvorstellung vom Reisen zu verwirklichen: flexibel, unabhängig und naturnah. Also bewarben wir uns auf das Gründerstipendium NRW und gründeten im Juli 2020 VanSite.

Auch wenn es nie mein Plan war, ein eigenes Start-up zu gründen: Bereut habe ich es nie. In einem Anstellungsverhältnis bewegst du dich in einem Umfeld, das klare Grenzen hat: feste Arbeitszeiten, ein festgeschriebener Arbeitsbereich entsprechend der Stellenbeschreibung und ein Vorgesetzter, dem du Rede und Antwort stehen musst. Diesen Grenzen nicht ausgesetzt zu sein, ist es, was ich am Gründen so schätze. Die Freiheit durch die flexible Arbeitszeiteinteilung und die freie Entfaltung eigener Ideen, heißt nicht automatisch, dass plötzlich alles besser und entspannter ist, denn die Verantwortung steigt extrem. Aber ist nicht genau das auch das Schöne am Gründen?“

Carolin König von VanSite
Caro & Max von VanSite

„Bei uns im Team gilt die Devise: Arbeite an dem Ort auf der Welt, an dem du dich wohlfühlst. Arbeite ich lieber früh am Morgen oder bis spät in die Nacht? Wann möchte ich Urlaub machen? Was habe ich für Ideen und wie kann ich sie umsetzen – nicht, ob überhaupt. Der Unterschied liegt meiner Meinung nach darin, dass ich nach etwas strebe, das ich selbst gestalte, anstatt gestaltet zu werden. Denn deine Arbeitsweise steht in direkter Wechselwirkung mit deiner Lebensweise. Durch die individuelle Gestaltung ist das Ergebnis, dass du dich wohler fühlst, zugleich deutlich effektiver bist und damit andere Energien freisetzt. 

Eine Gründung ist aber auch eine radikale Veränderung. Natürlich gibt es diese Vorteile, doch sie bringen auch ihre Herausforderungen mit sich. Plötzlich stehst du ohne Vorgesetzten da, der die Verantwortung für dich trägt. Als Start-up musst du erstmal alle Bereiche und Themen im Co-Founder Team abbilden können. Dabei spielen am Anfang vor allem zwei Faktoren eine große Rolle: Zeit und Geld. Mit wenig Geld über die Runden zu kommen, während man an einem Projekt arbeitet, das noch keinen Umsatz generiert und dabei so wenig Zeit wie möglich zu verlieren, kann ganz schön herausfordernd sein. Ein wichtiger Faktor ist dabei das Thema Selbstorganisation: Als Gründer:in musst du in der Lage sein, dir selbst eine Struktur aufzubauen und deine Perfektion nach dem Motto „done is better than perfect“ erst einmal zu minimieren.

Doch diese Herausforderungen zu bewältigen, zahlt sich aus: So viel wie ich bereits im ersten Jahr als Mitgründerin von VanSite gelernt habe, habe ich in den fünf Jahren Festanstellung nicht gelernt. Diese Entwicklung ist total spannend: Herauszufinden, was für ein Typ Mensch man ist und sich fachlich und persönlich weiterzuentwickeln. Aber was mich bei VanSite jeden Tag am meisten freut ist, dass wir Menschen zusammenbringen, die eine gute Zeit zusammen haben, weil wir ihnen die Plattform dazu bieten. Was gibt es Schöneres?

Hinweis: Der Bericht wurde im Sommer 2022 für unser Magazin „Start-up Campus OWL“ (erschienen im Dezember 2022) verfasst.

Dr. Thomas Reiher hat aus seinem Promotionsthema ein Geschäftsmodell entwickelt und schließlich ein erfolgreiches Unternehmen gegründet​

Der Werdegang von Dr. Thomas Reiher, Mitgründer der AMendate GmbH, ist ein Paradebeispiel für gelebten Wissens- und Technologietransfer. Im Interview erzählt er uns, wie er gemeinsam mit seinem Kollegen aus rein wissenschaftlichen Erkenntnissen eine Software zur vollautomatischen Generierung von Designs im 3D-Druck entwickelte, die den realen Fragestellungen aus der Industrie begegnete. Daraus entstanden ist ein erfolgreiches Unternehmen.

Du hast aus deinem Promotionsthema ein Geschäftsmodell entwickelt, dann ein erfolgreiches Unternehmen gegründet und nur knapp ein Jahr später mit der AMendate GmbH einen Exit vollzogen. Aber beginnen wir vorne. Was war das Thema deiner Forschung an der Universität Paderborn?

Wenn wir vorne beginnen, ging es eigentlich schon 2012 während meiner Zeit beim Paderborner Formula Student Team „UPBracing Team e.V.“ los. Dort war ich zuständig für die Strukturoptimierung von ein paar Bauteilen des Rennwagens. Hierzu benutzte ich etablierte Software, die mir aber nicht ganz gefiel, da sie nicht automatisiert genug war. Wenig später hatte ich dann die Chance, in einem passenden Forschungsprojekt an einer Lösung hierfür zu arbeiten. Es ging darum, ob und wie sich die additive Fertigung (3D-Druck) für die Produktion von Strukturbauteilen für Satelliten einsetzen lässt. Aus dieser Fragestellung habe ich dann mein Forschungsthema abgeleitet: „Intelligente Optimierung von Produktgeometrien für die additive Fertigung“. Letztlich also die Fragestellung, wie sich optimale Leichtbaugeometrien mit minimalem Materialeinsatz möglichst automatisch von cleverer Software entwickeln lassen. Nachdem ich hierfür wieder mit der Software aus der Zeit als Student angefangen hatte, stellte ich schnell fest, dass ein vollkommen neuer Ansatz gefunden werden müsste. Die von mir aufgestellte Theorie wurde dann von meiner studentischen Hilfskraft und späterem Mitgründer Steffen Vogelsang mit zunächst nur kleinen Softwarestückchen geprüft und untermauert.

Was gab den Anlass, deine Forschungserkenntnisse in die Gründung eines Unternehmens zu transferieren? Gab es Wegweiser, besondere Ereignisse oder Begegnungen, die dazu geführt haben?

Steffen hatte von Anfang an ebenfalls großes Interesse an der Idee und hat über die Zeit mit beeindruckendem Zeitinvestment aus den rein wissenschaftlichen Stückchen tatsächlich eine funktionierende Software entwickelt. Da ich neben den großen Forschungsprojekten am Lehrstuhl auch viel direkten Industriekontakt über das Forschungszentrum zur additiven Fertigung, dem Direct Manufacturing Research Center der Universität Paderborn (DMRC) hatte, waren wir immer wieder auch mit realen Fragestellungen aus der Industrie beschäftigt. Irgendwann stellten wir fest, dass wir diese Aufträge mit unserer Software viel schneller und besser abarbeiten konnten als wie offiziell behauptet mit der alten Lösung. Dadurch kam dann bei uns die Frage auf, ob wir uns damit selbstständig machen könnten.

Hattest du jemals ernsthafte Bedenken zu gründen?

Obwohl ich von unserer Idee überzeugt war und bin, ist natürlich der kommerzielle Erfolg immer fraglich. Für ein erfolgreiches Unternehmen braucht es eben nicht nur eine gute Idee oder vielleicht sogar schon ein gutes Produkt, es braucht auch das passende Management, Werbung etc. Gerade, wenn man etwas ganz Neues auf den Markt bringt, muss der Kunde das natürlich ebenfalls als richtig und wichtig ansehen. Da wir aber aus der Kundensicht kommend die neue Lösung entwickelt haben, hatten wir eigentlich nur wenige Bedenken. Die Arbeit an den kleinen Aufträgen für die Partnerfirmen des Forschungszentrums hatte uns schon gezeigt, dass es einen klaren Wunsch der Kunden für so eine Lösung gibt.

AMendate

Im Juli 2018 habt ihr ein eigenes Büro bei uns in der garage33 bezogen und bereits drei Monate später die AMendate GmbH gegründet – gemeinsam mit Gereon Deppe, Anne Düchting und Steffen Vogelsang – und sehr schnell das Unternehmen verkauft. Was hat sich in eurem Arbeitsalltag verändert? Wie ging es dann weiter?

Die Zeit in der garage33 war einfach nur toll. Durch das EXIST-Stipendium hatten wir gefühlt wahnsinnig viel Luft und Zeit an unserer Idee zu arbeiten. Wir haben uns in der garage33 pudelwohl gefühlt und unsere Teamzusammensetzung war einfach genial. Natürlich ist sie das heute auch noch! (lacht) Erstmal hatte sich durch den Exit gar nicht so viel verändert. Wie versprochen waren und sind wir immer noch sehr eigenständig unterwegs, können nur an vielen Stellen auf die Konzernstrukturen zurückgreifen. Natürlich müssen wir uns aber auch an vielen Stellen abstimmen, insbesondere mit den Teams Hamburg und Kalifornien. Gerade diese Abstimmungen nach Übersee haben unseren Arbeitsalltag noch einmal stark nach hinten verlängert. Verändert hat sich dann das meiste durch Corona und Homeoffice. Heutzutage merken wir aber auch, dass aus dem Herzensprojekt vermischt aus Arbeit, Hobby und Vollgas eher ein normaler Job geworden ist. Wir sind immer noch sehr engagiert und häufig außerhalb der üblichen Arbeitszeiten aktiv, aber doch weniger als in der Gründungszeit. 

Wir sind in den letzten drei Jahren weitergewachsen und haben gelernt, die Ressourcen im Konzern einzusetzen und uns so die benötigte Hilfe in Development, Marketing und Verwaltung zu holen.

Wissenschaftler, Gründer, Geschäftsführer: Womit identifizierst du dich am meisten und warum?

Am ehesten Gründer. Ich möchte einfach gerne neue Ideen möglichst schnell, pragmatisch und zielorientiert umsetzen und realisieren. Dabei einfach mal Dinge ausprobieren, Fehler machen und danach auf neuem Weg zum Ziel zu kommen motiviert mich.

Warum gründen Forscher:innen so selten? Was denkst du?

Ich glaube, dass einfach oft während der Forschung zu sehr ins Detail geforscht wird und dabei ausschließlich der Fragestellung nachgegangen wird, aber die Anwendung und der Grund für die Frage aus dem Blick verloren geht. So steht am Ende zwar eine saubere Forschungsarbeit, aber noch lange kein vertriebsfähiges Produkt.

Ansonsten fehlt vielleicht einfach der Antrieb zum „einfach machen“. Einen EXIST-Antrag zu schreiben ist gar nicht so schwer. Und mit einem Stipendium in der Tasche hat man auch gar nicht viel zu verlieren. Daher ermutige ich auch jeden, der auf mich zukommt.

Ich finde es super spannend, neben der reinen Technik (ich habe auch nur Maschinenbau studiert) auch die wirtschaftlichen Kompetenzen zu erwerben und ein ganzes Unternehmen entstehen zu sehen.

Kurzbiografie Dr. Thomas Reiher

Dr. Thomas Reiher promovierte 2018 am Direct Manufacturing Research Center (DMRC) der Universität Paderborn zur Geometrieoptimierung additiver Bauteile. Auf dieser Basis gründete er die AMendate GmbH zur Entwicklung einer Software für den industriellen Einsatz. Nach Übernahme durch Hexagon im Jahr 2019 leitet Dr. Thomas Reiher als Director Generative Design die weitere Entwicklung und Vermarktung der Technologie.

Hinweis: Das Interview wurde im Sommer 2022 für unser Magazin „Start-up Campus OWL“ (erschienen im Dezember 2022) geführt.