Das Team „Excellence Coatings“ wird von Expertenjury für eine Förderung im Programm EXIST-Forschungstransfer empfohlen
Mit ihrer Existenzgründungsidee einer langanhaltenden wasser- und schmutzabweisenden Oberflächenbeschichtung ist es dem Team um David Wedegärtner, Deniz Dogan und Sven Wauschkuhn gelungen, sich für eine Förderung im Programm EXIST-Forschungstransfer des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) und des Europäischen Sozialfonds (ESF) zu empfehlen. Der Förderumfang während der zweijährigen Projektphase umfasst 800.000 Euro. Das Programm fördert herausragende forschungsbasierte Gründungsvorhaben, die mit risikoreichen und aufwändigen Entwicklungsarbeiten verbunden sind. Hierbei soll die Entwicklung bisheriger Forschungsarbeiten vorangetrieben, Prototypen hergestellt und getestet, der Businessplan ausgearbeitet und schließlich das Unternehmen gegründet werden. Es ist das zweite Mal, dass ein Team der Universität Paderborn die Jury des renommierten Programms EXIST-Forschungstransfer überzeugen konnte und dies stellt die bisher höchste Fördersumme dar. Unterstützung bekamen sie dabei von uns, dem TecUP.
Innovative wasser- und schmutzabweisende Oberflächenbeschichtung
Begonnen hat alles im Wintersemester 2009/2010 während ihres Chemiestudiums an der Universität Paderborn. Hier lernten sich David und Deniz kennen und freundeten sich schnell an. Den Bachelor absolvierten die beiden im Studiengang „Chemie und Technologie der Beschichtungsstoffe“ (CTB), im Master spezialisierten sie sich auf Kunststofftechnik im Studiengang „Polymere Materialien und Prozesse“ (PMP), der Chemie und Maschinenbau kombiniert. Seit Anfang 2016 promovieren David und Deniz auf dem Gebiet der technischen Chemie im Arbeitskreis von Prof. Wolfgang Bremser am Lehrstuhl für „Coatings, Materials & Polymers“ (CMP) der Universität Paderborn. Die Spezialisierung auf Beschichtungssysteme ist deutschlandweit einzigartig und der Arbeitskreis CMP aufgrund der hervorragenden fachlichen Infrastruktur renommiert. David promoviert in der im Arbeitskreis integrierten Nachwuchsforschungsgruppe „Biobased & Bioinspired Materials“ von Prof. Oliver Strube an einer strukturierten Beschichtung mit Hilfe von Enzymen. Prof. Wolfgang Bremser war der Ideengeber für Deniz Forschung, die im Bereich des „Antifouling“ liegt. Durch Antifoulings soll dem Ansiedeln von Mikroorganismen, Pflanzen oder Tieren am Rumpf von Schiffen entgegengewirkt werden. Der „Biofouling-Prozess“ an Schiffsrümpfen soll mit einer giftfreien, geeigneten Beschichtung mit einem mikrophasenseparierenden System verhindert werden. Ein Patent wurde bereits angemeldet. Hieraus entstand schließlich die Idee zur Entwicklung ihres Produktes. Ihre Forschungsergebnisse tragen die beiden seit nunmehr fünf Jahren zusammen.
Mit dem Programm START-UP-Hochschul-Ausgründungen.NRW konnten sie sich bereits eine Landesförderung in Höhe von 240.000 Euro sichern. Dieses Vorhaben wurde aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert. Im Dezember läuft diese anderthalbjährige Förderung aus. Unter dem Projekttitel „Microdomes“ entwickelten David und Deniz bereits eine innovative Oberflächenbeschichtung. In einem Langzeittest wurde diese validiert. Der „Proof of Principle“, also die Durchführbarkeit des Vorhabens, konnte schon bewiesen werden.
Die nun anschließende Förderung im Programm EXIST-Forschungstransfer soll unter dem Projekttitel „Nanodots Waterline“ laufen. Der Projektstart ist für März 2021 geplant. Dann hat das Team 24 Monate Zeit, um die technische Realisierbarkeit hoch zu skalieren und in die bestehenden Beschichtungsprozesse zu integrieren. Momentan können nur bis zu 15 Liter des Lacks in einem Arbeitsgang hergestellt werden. Das soll sich zukünftig ändern: „Was im kleinen Labormaßstab funktioniert, gelingt nicht auf einmal in einem riesigen Reaktor“, beschreibt David die Herausforderung in der Herstellung großtechnischer Mengen.
Der Kern der Innovation ist die wasser- und schmutzabweisende Wirkung der Beschichtung bei gleichzeitig hoher mechanischer Beständigkeit. Die Chemiker entwickeln eine Hybridbeschichtung, indem sie zwei Beschichtungsklassen kombinieren, die nur schwer zu kombinieren sind. „Als ich anfing, an dem Thema zu forschen, war der allgemeine Konsens, dass es nicht funktionieren wird“, so Deniz. Das Besondere an ihrer Entwicklung ist die Mikrostrukturierung des Silikons im Lack, das die funktionale Komponente bildet. Den Lack bezeichnen sie als High-Tech-Produkt. Die Laborarbeit erfordert große Sorgfalt und exakte Dokumentation. Funktionale Beschichtungen im Bereich von „Easy-to-clean“ und „Antifouling“ haben bislang den Nachteil, mechanisch unbeständig zu sein. Zudem sind sie nicht nur schwierig aufzubringen, sondern auch sehr teuer. Daher entwickelt das Team ein Lacksystem, das genauso aufgetragen werden kann wie herkömmliche Lacke und das vom Kosten- und Nutzenverhältnis akzeptabel ist. Der wasserbasierte Klarlack härtet je nach Anwendungsfeld sowohl bei Umgebungstemperaturen als auch bei hohen Temperaturen in Einbrennsystemen aus. „Das Produkt kann viel und hat in vielen Märkten Potential“, beschreibt David die Entwicklung und erklärt weiter „Wir sind im Bereich der funktionalen Beschichtung. Sobald es um funktionale Beschichtungen geht, geht man immer einen Kompromiss ein. Unsere Entwicklung bietet aber den Grundschutz plus weitere Funktionen.“ In dem durch das TecUP initiierten Workshop „Where to play“ Anfang dieses Jahres bestätigte sich die Annahme, dass das Potential für den innovativen Lack in vielen Märkten zu finden ist, wie beispielsweise im Straßenbau, im Wasserbau sowie im Bereich der Haustüren- und Fassadenversiegelungen. Im Automotive-Bereich Fuß zu fassen ist das langfristige Ziel des Teams.
Gründerteam will Geschäftsfeld erweitern
Ende September gründete das Team die „Excellence Coatings GbR“, die Mitte nächsten Jahres in eine GmbH überführt werden soll. Im Juni erweiterten die beiden Chemiker ihr Team um Sven Wauschkuhn, der aktuell seinen Master in Betriebswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf abschließt. Über Tim Hosch, Gründungscoach unseres TecUP Teams, fanden die drei zusammen. „Viele Start-ups kommen aus den Naturwissenschaften oder technischen Bereichen und sind auf der Suche nach BWLern. Mit diesem Wissen und dem Wunsch, in die Selbständigkeit zu gehen wandte ich mich ans TecUP“, erklärt Sven. Er komplementiert das Gründerteam und wird die betriebswirtschaftlichen Projektaufgaben übernehmen. Weitere Unterstützung erhält das Team durch die Einstellung einer technischen Mitarbeiterin.
Bereits jetzt arbeiten sie mit einem Pilotkunden aus der Wirtschaft zusammen, dem Hersteller für Premiumhaustüren OBUK aus Oelde, den sie beliefern. Die zweijährige Förderung soll tiefergehende Entwicklungsarbeiten an dem Produkt ermöglichen, um das Geschäftsfeld zu erweitern und neue Kunden zu akquirieren. Je nach Anwendungsgebiet muss dafür der Lack optimiert, angepasst und in eine marktreife Produktlinie für unterschiedlichste Kunden überführt werden. „Es gibt bereits jetzt sehr starke Interessensbekundungen aus verschiedenen Bereichen der Wirtschaft, die an einer Zusammenarbeit interessiert sind und uns ihre Unterstützung im Projekt und beim Scale-up zusicherten“, so die Teammitglieder. Ein Pilotprojekt mit einem strategischen Partner aus dem Automotive-Bereich, der PPG Hemmelrath Lackfabrik GmbH, ist bereits in Planung. Dabei soll validiert werden, ob das Produkt den erhofften Mehrwert für den Kunden generiert. Zudem müssen diverse DIN-konforme Test zur Qualitätssicherung durchgeführt werden. Nach Ablauf der Förderung soll das Start-up der drei Gründer weiterwachsen, um wettbewerbsfähig zu sein und das innovative Lacksystem auch Großkunden anbieten zu können. Venture Capital ist hierbei ein interessantes Finanzierungsmodell. Bis zum offiziellen Projektstart im März möchten David und Deniz ihre Promotionen und Sven seine Masterarbeit beenden.
Unterstützung bei der Antragsstellung für die Förderung im Programm EXIST-Forschungstransfer erhielten die Wissenschaftler durch unsere Coaches. Bereits während ihres Chemiestudiums entstand der Wunsch, ihre Forschungsergebnisse in die Praxis zu überführen. „Probleme so zu lösen, wie wir das wollen, das Unmögliche möglich machen und sein eigener Chef sein“, beschreibt Deniz die Entscheidung, den Schritt in die Selbstständigkeit zu gehen. Im April 2019 bezogen die beiden Chemiker ihr Büro in der garage33, dem Gründungsinkubator des TecUP. Hier werden Gründerinnen und Gründer unterstützt, ihre innovativen Ideen vom Prototyp bis hin zur Marktreife zu entwickeln. Mit unseren Gründungs-Experten feilten sie an ihrer Projektidee und deren wirtschaftlicher Realisierbarkeit, erstellten mithilfe des Coaching-Programms einen Businessplan, um dann ihr Start-up auszugründen. „Die Coaches haben uns wirklich geholfen und geformt. Besonders zu nennen ist hier Arthur Hartel. Er stand uns immer zur Seite“, resümiert Deniz die bisherige Zeit in der garage33. Offenes Feedback, unkomplizierte und schnelle Hilfestellungen sowie der Austausch und die Gemeinschaft machten diesen Ort so besonders. Auch perspektivisch sehen sie ihren Platz im Gründungscenter der Universität Paderborn. „Wir hoffen, dass wir in dem geplanten MakerSpace im neuen Gebäude Start-up-Campus.OWL mittelfristig mit unseren Laborgeräten unterkommen“, so David.
Das innovative Geschäftsmodell bietet großes Wachstumspotential und könnte schon bald die Lackindustrie revolutionieren.
Stillsitzen können die drei Gründer auch in ihrer Freizeit nicht. Sven spielt seit seiner Kindheit Tennis und ist zudem ehrenamtlich aktiv. Deniz praktiziert seit sieben Jahren die chinesische Kampfkunst Wing Tsun, die ihn auch charakterlich sehr geprägt hat. „Der Kampfsport ist ehrlich. Nur wenn du trainierst wirst du auch gut. Hier habe ich gelernt, dass nichts unmöglich ist.“
Jahrelange Erfahrung in der Selbstständigkeit bringt David mit, der als Zauberkünstler in der Region bekannt ist. „Egal ob Chemie oder Zauberei: beides verstehen die Leute erstmal nicht“, sagt er und lacht. Aufgrund der pandemischen Lage ist es momentan still um die die Zauberei. Genug zu tun hat das Team in den nächsten Jahren aber allemal.